Was macht das mit dir?

Was macht das mit dir?

Bestimmt 2 Jahre ist es her, dass ein Hund einfach so, unangeleint und ungefragt zu uns gerannt kam. Augenscheinlich keine schlimme Situation, der Hund war nicht angriffslustig sondern überfordert und suchte nach Anschluss. Trotzdem habe ich mich fürchterlich aufgeregt. Auch, weil der Besitzer – als er endlich kam – den Hund strafend am Ohr wegzog und nicht ein freundliches Wort oder eine Entschuldigung übrighatte. Und diese Situation wirkte den Abend in mir nach.

Meine Arbeit besteht zu einem Großteil darin, Menschen zu ermutigen und ihrem Bauchgefühl wieder mehr zu vertrauen, ihren Blick zu schärfen, zur Selbstreflektion anzuregen und sich auf die Suche nach dem „Warum“ zu begeben. Warum tut der (eigene) Hund xy?

(Unfreiwillige) Hundebegegnungen und wie sie ablaufen ist dabei häufig Thema. Dabei spielen Gefühle wie Angst und Unsicherheit eine tragende Rolle. Es gibt vorangegangene, prägende Situationen, die für ein schlechtes Kopfkino sorgen. Es gibt verdeckte Wünsche wie gesehen und respektiert werden wollen (=Achtsamkeit des Gegenübers mit einem selbst), Ruhe, Sicherheit, klare räumliche Trennung, freundlicher Umgang. Man fühlt sich respektlos behandelt und übergangen, wenn das Gegenüber nicht wahrzunehmen scheint, dass man Abstand braucht, vielleicht selbst überfordert oder ängstlich ist oder einfach nur seine Ruhe möchte. Vielleicht ist man auch neidisch, weil der fremde Hund distanzlos, aber freundlich ist? Wohingegen der eigene mit aggressiven Verhalten kontert und man so vermeintlich negativ auffällt? Vielleicht wünscht man sich selbst etwas von der Leichtigkeit und Unbekümmertheit mit der andere Menschen ihren Spaziergang offenbar bestreiten können? Die Ursachen für unsere Gefühle und Reaktionen sind so vielfältig wie die Geschichte, die für uns selbst und unsere Hunde dahintersteht.

Nur ist unser Gegenüber nicht für die Erfüllung dieser „Wünsche“ verantwortlich.

Ich bin in diesen Situationen für gewöhnlich ruhig, besonnen aber auch sehr klar, was zur Folge hat, dass Fremdhunde erst gar nicht ungefragt zu uns kommen. Unsere Gruppenstruktur ist nach Außen sichtbar, wie kommunizieren friedfertig, aber deutlich, dass kein Kontakt gewünscht ist. Wir sind uns selbst genug. Was hat mich also gestern so aus der Fassung gebracht?

Das Gegenüber hat in mir durch sein Auftreten und seine Kleidung zu erkennen gegeben, welche Gesinnung es vertritt. Der Hund (und ein weiterer dazugehöriger) haben dieses Bild in meinem Kopf komplettiert. Der Hund war eine Minute zuvor bereits mit dem gleichen Verhalten bei anderen Personen aufgefallen, weshalb wir einen extra Bogen gegangen sind – der nichts half. Ich habe also die Not beim Hund und das Verhalten des Halters bereits vorher gesehen und verarbeitet. Hatte mein eigenes Kopfkino und Vorurteile, über die ich in der kurzen Zeit nicht hinweggekommen bin. Dieser Typ Mensch löst in mir etwas aus, das mich (noch) aus meinem Gleichgewicht bringt.

Nun ist dieser Mensch mit seinem Verhalten aber nicht daran schuld, dass ich mich ärgern lasse. Und schon gar nicht ist er dafür verantwortlich, dass ich voreingenommen und verachtend über ihn gedacht habe. Meine Gedanken. Meine Verantwortung. Und in diesem Fall eben auch: meine Schuld, dass diese Situation bei mir und einem Teil meiner Hunde für schlechte Gefühle gesorgt hat.

Wir haben nicht in der Hand, was andere fühlen, sagen, denken oder was sie tun. Wir sind nicht dafür verantwortlich und es geht uns nichts an, dass sie ihren Hund nicht anleinen (Leinenpflicht hin oder her). Es geht in diesen Situationen selten um uns selbst (der Hund war nicht wegen uns nicht angeleint, der Mann hat sich nicht wegen uns nicht entschuldigt usw.) – das sind die Themen und Gefühle des Gegenübers.
Was wir in der Hand haben sind unsere Entscheidungen: unser Verhalten, Gedanken und Worte über und zu unserem Umfeld. Und was wir aus und mit unseren Gefühlen machen.

Milde gegenüber diesem Hund/Mensch, weniger/keine Vorurteile und Kopfkino – diese Situation wäre vielleicht trotzdem entstanden, aber sie wäre viel entspannter abgelaufen. Für mich im Jetzt und danach und für meine Hunde.

Ich nehme mir nach solchen Situationen bewusst Zeit zur Selbstreflektion. Überlege, was die Trigger waren, die mich aus meiner Mitte haben fallen lassen – und warum. Wie ich in Zukunft mit solchen Situationen bzw. in meinem Fall „diesem“ Typ Mensch umgehen möchte.

Solche blöden Situationen werden so zu Geschenken. Geschenken, die uns ermöglichen uns weiter zu entwickeln, zu hinterfragen und somit friedfertiger und besonnener werden zu lassen. Das hat auf den ersten Blick wenig mit klassischem Hundetraining zu tun – ist für mich aber die Grundlage im Umgang mit uns und unseren Hunden. Wie kann ich von meinem Hund erwarten sich anders zu verhalten als ich es ihm vorlebe?

Wie geht ihr mit Situationen um, die eine starke Emotion in euch auslösen?